Zwei Länder, eine Stadt. Geteilte Orte können unglaublich faszinierend sein. Vor allem dann, wenn die beiden Stadtteile sich von Land zu Land so sehr unterscheiden, dass man das Gefühl bekommt von einer Welt in eine vollkommen andere Welt hinüber zu treten. Diesen sonderbaren “Zwei-Welten-Effekt” habe ich so zum ersten Mal in der slowakisch-ungarischen Stadt Komárno-Komárom – durch die Donau voneinander getrennt – erlebt.
Das ungarische Komárom
Ich erreichte die geteilte Stadt Komárno-Komárom auf ungarischer Seite, nachdem ich bereits etliche Kilometer mit dem Fahrrad von Budapest entlang der Donau durch das beschauliche Ungarn geradelt war. Mein erster Eindruck von Komárom war: Eine weitere, typisch ungarische Kleinstadt. Keine protzigen Häuser sondern eine eher ländlich-dörfliche Atmosphäre. In Komárom ist der Himmel noch immer von Kabeln und Leitungen durchzogen – wie in so vielen anderen ungarischen Städtchen und Dörfern auch.
Es gibt ein paar hübsche alte, kleine Bauwerke. Überall ist noch ein Hauch des früheren Kommunismus zu sehen. Und das gesamte Erscheinungsbild der Stadt wirkt eher bescheiden bis geradezu ärmlich. Es gibt fast keine Hochhäuser, keine Prachtbauten und auch der Verkehr ist wie alles andere hier schlichtweg beschaulich.
Der „Stadtpark“ wirkt eher wie ein Stück Natur am Rand einer kleinen Dorfsiedlung und die „Einkaufsmeile“ mit der „Shopping-Mall“ erinnert irgendwie an die Hauptstraße einer 4.000-Seelen-Gemeinde. Dabei leben in der ungarischen Stadt knapp 20.000 Menschen.
Das slowakische Komárno
Wenn man dann über die 415 Meter lange Elisabethbrücke von Ungarn in die Slowakei fährt oder zu Fuß spaziert, erlebt man erst mal einen kleinen Kulturschock: Plötzlich ist hier alles größer, moderner und viel prunkvoller. Es herrscht viel mehr Verkehr auf den Straßen. Es gibt riesige Straßenkreuzungen mit modernen Ampelanlagen, unzähligen Schildern und sogar Zebrastreifen für Fußgänger – alles, was auf ungarischer Seite nicht so recht existiert. Und während auf der anderen Seite der Donau noch primär Fahrzeuge älteren Kalibers unterwegs waren, finden sich hier im slowakischen Teil der Stadt fast ausschließlich Autos der aktuellen Fahrzeug-Generation.
Auch das Stadtzentrum sieht völlig anders aus: Es gibt eine typische Fußgängerzone, Kirchen und Denkmäler in pompöser Bauweise, Schaufenster mit teuren Schmuckauslagen, bunte Werbeplakate und den touristisch attraktiven Europaplatz.
Entlang der Donau stehen die Luxusvillen der Reichen neben den architektonischen Meisterwerken unserer Neuzeit. Insgesamt hat der slowakische Stadtteil Komárno ca. 35.000 Einwohner, wobei ungefähr 2/3 davon wiederum ungarisch sind.
Zwei Länder, eine Stadt
Erst später wurde mir klar, warum sich diese beiden Schwesternstädte so extrem voneinander unterscheiden. Die auffallenden Unterschiede liegen nicht nur allein darin begründet, dass Komorn (das ist der deutsche Name der Stadt) einerseits in Ungarn und andererseits in der Slowakei liegt. Bis 1920 war Komorn nur “eine” Stadt, die zwar durch die Donau geteilt war, aber vollständig zu Österreich-Ungarn gehörte. Das Stadtzentrum lag dabei nördlich der Donau – also in der heutigen Slowakei, während der Teil südlich der Donau im jetzigen Ungarn primär nur die Wohnsiedlung war. Nach der Teilung der Stadt im Jahr 1920 ging der nördliche Teil – und damit auch das gesamte Stadtzentrum – an die Tschechoslowakei. Während der als Wohnsiedlung dienende und südlich der neu geschaffenen Landesgrenze liegende Teil der Stadt weiterhin zu Ungarn gehörte.
Dieses Wissen macht es für den Besucher zwar ein bisschen verständlicher, warum im slowakischen Teil der Stadt alles so prachtvoll, so groß und so modern wirkt, während man auf der ungarischen Seite eher das Gefühl hat, sich in einem kleinen Dorf und nicht in eine Kleinstadt zu befinden. Am Ende bleibt aber dennoch das Gefühl bestehen, dass man sich in zwei ganz verschiedenen Ländern und dabei in zwei völlig verschiedenen Welten befindet – voneinander getrennt durch einen Fluss, aber miteinander verbunden durch eine Brücke, über die man von der einen in die andere Welt gelangt.
Übrigens hat der Name der Stadt Komárno-Komárom eine ziemlich zutreffende Bedeutung: Erstmalig erwähnt wurde die Stadt unter dem Namen Camarum. Dieser leitet sich vom urslawischen Komrьnъ ab, was wiederum mit komár („Mücke“) in Zusammenhang gebracht wird. Daraus folgt, dass Komárno so viel bedeutet wie: “Ein Ort, an dem es viele Mücken gibt.” Und DAS kann ich absolut bestätigen!
Auf dem Donauradweg neben der Stadt Komárno gab es in den Abendstunden im April echt verdammt viele Mücken. 😉